Jesaja 40,1-2
„1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. 2 Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass ihr Frondienst vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist; denn sie hat von der Hand des HERRN Zweifaches empfangen für alle ihre Sünden.“
Diese eindringlichen Worte markieren einen entscheidenden Wendepunkt im Buch Jesaja – und zugleich eine theologische Schnittstelle zwischen Gericht und Gnade. Sie enthalten nicht nur eine prophetische Botschaft an das Volk Israel, sondern einen bis heute gültigen Auftrag an alle, die den Geist Gottes empfangen haben: Tröste mein Volk!
Jesaja – Der Evangelist des Alten Bundes
Das Buch Jesaja ist einzigartig. Mit 66 Kapiteln spiegelt es die Struktur der gesamten Bibel wider: 39 Kapitel entsprechen dem Ton und Inhalt des Alten Testaments (Gericht, Gesetz, Heiligkeit Gottes), 27 Kapitel dem Charakter des Neuen Testaments (Gnade, Trost, Erlösung). Jesaja enthält insgesamt 66 direkte und 85 indirekte Zitate im Neuen Testament – mehr als jedes andere alttestamentliche Buch. Kein Prophet beschreibt mit solcher Klarheit Geburt, Tod, Auferstehung und Wiederkunft des Messias. Jesaja ist nicht nur der Prophet Israels, sondern auch ein Schlüssel zur ganzen Schrift.
„Mein Volk“ – Wer ist gemeint?
Wenn Gott sagt „mein Volk“, meint er Israel. Nicht symbolisch, nicht allegorisch, sondern konkret. Jerusalem wird ausdrücklich genannt. Die doppelte Wiederholung im Hebräischen („Nachamu, Nachamu Ami“) ist kein Appell, sondern ein göttlicher Befehl. Und dieser Befehl richtet sich im Hebräischen an eine Mehrzahl: „Tröstet“ – es ist eine kollektive Verantwortung.
Israel ist nicht nur dann Gottes Volk, wenn es gehorsam ist. Schon am Tiefpunkt seiner Geschichte – etwa beim goldenen Kalb – erklärte Mose vor Gott: „Bedenke doch, dass dieses Volk dein Volk ist“ (2Mo 33,13). Es ist Gott selbst, der dieses Volk erwählt hat. Diese Erwählung ist weder verdient noch bedingt – sie ist Ausdruck seiner Souveränität.
Gottes Volk – damals, heute und für immer Israel
Wichtig zu verstehen ist: Wenn Gott sagt „mein Volk“, meint er Israel – und damit auch das heutige Israel.
Diese Bezeichnung bezieht sich nicht nur auf das historische Israel zur Zeit der Patriarchen, Propheten oder der ersten Jünger, sondern ausdrücklich auch auf das gegenwärtige jüdische Volk – im Land Israel wie in der Diaspora. Gott spricht in der Schrift wiederholt in zeitübergreifender Weise von „meinem Volk“ (vgl. Jer 31,35-37), und er verbindet seine Treue nicht mit der jeweiligen geistlichen Verfassung Israels, sondern mit seinem eigenen unveränderlichen Wesen und seinen unwiderruflichen Verheißungen (vgl. Mal 3,6; Röm 11,29).
Auch Paulus schreibt im Römerbrief – lange nach dem Kreuzestod und trotz der Ablehnung des Messias durch viele – unmissverständlich: „Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Das sei ferne! … Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor ersehen hat.“ (Röm 11,1-2).
Die Bibel macht deutlich: Gottes Bündnis mit Israel wurde nicht durch das Kommen der Gemeinde oder durch Israels zeitweilige Verstockung aufgehoben. Vielmehr spricht sie davon, dass es einen „Überrest nach Gnadenwahl“ gibt (Röm 11,5) – und dass eines Tages „ganz Israel gerettet werden wird“ (Röm 11,26). Diese Zusagen beziehen sich auf das reale, leibliche Israel – nicht auf eine symbolische oder geistliche Ersatzgemeinschaft.
Wer also heute das Volk Israel sieht – verfolgt, bekämpft, angeklagt und doch bewahrt –, der sieht ein Volk, das immer noch „mein Volk“ genannt wird von dem Gott, der sich nicht ändert. Die Erwählung Israels bleibt bestehen – nicht wegen der Menschen, sondern wegen Gottes Wort, Treue und Heiligkeit.
Wer soll Israel trösten – und womit?
Der Auftrag „Tröstet mein Volk“ richtet sich nicht an die Welt, nicht an neutrale Dritte, sondern an Menschen, die den Geist Gottes empfangen haben. Denn dieser Geist ist der „Tröster“ (Joh 14,16). Wer von Gott selbst getröstet wurde, ist in der Lage, anderen göttlichen Trost weiterzugeben – nicht menschliche Beruhigung („wird schon alles gut“), sondern Trost, der in der Hoffnung auf den Messias gründet.
2. Korinther 1,3-4
„3 Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, 4 der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.“
Warum braucht Israel Trost?
Die Geschichte Israels ist durchdrungen von Verfolgung, Zerstreuung und Leid – von Ägypten über Babylon, von Rom bis nach Auschwitz. Doch selbst im Tal der Totengebeine (Hes 37) verheißt Gott Wiederherstellung. Er kennt den Zustand des Volkes: „Unsere Hoffnung ist verloren.“ Doch er sagt: „Ich will euch aus euren Gräbern heraufbringen und in euer Land zurückführen“ (Hesekiel 37,12).
Diese Verheißung wurde sichtbar erfüllt nach der Schoa – dem Holocaust. Doch bis heute ist das jüdische Volk zahlenmäßig nicht wiederhergestellt. Trotz Staatsgründung, Einwanderung und Wachstum: Der Schmerz und die Bedrohung sind nicht verschwunden.
Kein Ende des Hasses – sondern seine Zuspitzung
Von 1948 bis heute ist Israel unaufhörlich Angriffen ausgesetzt: 1948 (Unabhängigkeitskrieg), 1956 (Sueskrise), 1967 (Sechstagekrieg), 1973 (Jom-Kippur-Krieg) – und unzählige Terrorakte dazwischen und danach. Die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 sind „nur“ die jüngste Welle einer kontinuierlichen Bedrohung.
Antisemitismus ist kein vergangenes Kapitel, sondern eine gegenwärtige Realität – global, ideologisch, politisch, religiös. Die Morde der beiden Mitarbeiter der israelischen Botschaft vor dem Jüdischen Museum in Washington am 21. Mai 2025 (Ortszeit) belegen: Es geht nicht um politische Differenzen, sondern um tief verwurzelten Judenhass. Wenn Parolen wie „Free Palestine“ in der Praxis bedeuten: „Frei von Juden“, dann ist der alte Geist wieder lebendig.
Trost beginnt mit Wahrheit
Wer Israel trösten will, muss ehrlich sein: Diese Welt wird nicht besser, sondern befindet sich in einer Abwärtsspirale. Der Trost Gottes liegt nicht in geopolitischen Lösungen, sondern in der Verheißung des kommenden Messias. Die Zukunft wird herausfordernd, besonders für Israel. Und doch hat Gott Hoffnung gegeben – begründet im Bund, verankert im Glauben.
Verheißungen, die Trost spenden
Zahlreiche Schriftstellen bezeugen Gottes bleibende Treue zu Israel. Diese Worte sollen weitergegeben werden – nicht als religiöse Floskeln, sondern als göttliche Zusicherung und lebendiges Zeugnis:
• „Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“ (Ps 121,4)
• „Ich will euch tragen bis ins hohe Alter“ (Jes 46,4)
• „Selbst wenn eine Mutter ihr Kind vergisst – ich vergesse dich nicht!“ (Jes 49,15)
• „Ich habe dich in meine Hände eingezeichnet“ (Jes 49,16)
• „Ich weiß, was ich für Gedanken über euch habe … Gedanken des Friedens“ (Jer 29,11)
• „Israel soll nicht verworfen werden“ (Jer 51,5)
• „Denn der Herr verwirft sein Volk nicht“ (Ps 94,14)
• „Ich verändere mich nicht – darum seid ihr nicht untergegangen“ (Mal 3,6)
Diese Verse gelten – auch wenn Christen sie oft für sich anwenden – in erster Linie Israel. Und sie sollten dem Volk Israel zugesprochen werden.
Religion rettet nicht – nur Glaube
Der Weg zu Gott führt nicht über religiöse Rituale, sondern über Umkehr und Glauben. Schon Jesaja mahnt: „Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, sollen sie weiß werden wie Schnee“ (Jes 1,18). Paulus ergänzt in Römer 9: Israel verfehlte die Gerechtigkeit, weil es sie aus Werken suchte – nicht aus Glauben.
Der Trost Israels liegt nicht in menschlicher Tradition, sondern in der Person des Messias. Ihn zu erkennen bedeutet Hoffnung – ihn zu verfehlen bedeutet Gericht.
Am Ende: Das Gericht der Nationen
Gott nimmt den Umgang mit seinem Volk ernst. In der Endzeit – nach der Trübsal – wird er die Nationen richten (vgl. Mt 25,31-46). Der Maßstab: Wie habt ihr euch gegenüber meinen Brüdern verhalten? Wer Israel während der Not ignoriert oder bekämpft, wird nicht ins messianische Reich eingehen.
Es ist ein absoluter Widerspruch, sich vom Heiligen Geist – dem Geist des heiligen Gottes Israels – erfüllt zu nennen und zugleich gegen jenes Volk zu stehen, das Er selbst erwählt und mit dem Er einen ewigen Bund geschlossen hat.
Wenn der Heilige Geist wirklich in uns wohnt, dann formt er nicht nur unsere Herzen zur Gerechtigkeit – er richtet auch unser Denken und unsere Zuneigung nach Gottes ewigem Plan aus. Er befähigt uns, das zu lieben, was Gott liebt – einschließlich seines Bundesvolkes Israel.
Es ist also nicht möglich, den Geist Gottes in sich zu tragen – den Geist Israels – und gleichzeitig gegen Israel eingestellt zu sein. Geistliche Integrität bedeutet, mit Gottes Herz zu fühlen – und sein Herz schlägt für sein Volk.
Römer 11: Gottes Treue ist unwiderruflich
Gott hat Israel nicht verworfen – „das sei ferne!“ (Röm 11,1). Ein Überrest wird gerettet werden. Und „ganz Israel“ wird eines Tages zum Glauben kommen. Gott steht zu seinen Bündnissen – nicht aus Pflicht, sondern aus Treue.
Die übernatürliche Liebe zu Israel
Die Liebe zu Israel ist keine menschliche Leistung – sie ist übernatürlich. Nur wer mit Gottes Geist lebt, kann dieses Herz empfangen. Der Auftrag ist klar: Israel trösten, unterstützen, begleiten – und ihnen vom Messias erzählen, der Hoffnung, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Mut zur Treue – auch wenn es unpopulär ist
Der Weg an Israels Seite ist nicht populär – weder politisch noch gesellschaftlich. Aber er ist richtig. Und Treue wird nicht an Sichtbarkeit gemessen, sondern an Konsequenz. Gott wird fragen: Warst du treu?
Ein Ruf an uns heute
„Tröstet, tröstet mein Volk!“ – das ist kein historischer Appell. Es ist ein Ruf Gottes an seine Gemeinde in dieser Zeit. Gott beobachtet: Wer wird sein Volk trösten? Wer wird Jerusalem Hoffnung zusprechen? Wer wird für Israel beten?
Die Verheißung steht: Der Messias wird kommen. Seine Füße werden auf dem Ölberg in Israel stehen. Und sein Bundesvolk Israel wird ihn erkennen. Bis dahin gilt unser Auftrag, der Auftrag der Nachfolger Jesu und Gemeinde Christi: Tröstet, tröstet mein Volk!
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Gottes Segen Euch allen!
1. Thessalonicher 5,23
„Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!“
Amen und Amen