Fastentage des jüdischen Jahres

3. Mose 25,9

Und du sollst im siebten Monat, am Zehnten des Monats, ein Lärmhorn erschallen lassen; an dem Versöhnungstag sollt ihr ein Horn durch euer ganzes Land erschallen lassen

 

Sacharja 8,19

So spricht der HERR der Heerscharen: Das Fasten im vierten und das Fasten im fünften Monat und das Fasten im siebten und das Fasten im zehnten Monat wird für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu wunderbaren Festzeiten werden. Liebt die Wahrheit und den Frieden!


Seit biblischen Zeiten und bis in die Gegenwart spielen Fasttage (tzomot) für das Volk Gottes eine bedeutende Rolle. Im Hebräischen gibt es zwei Wörter, die beide „Fasten“ (Verzicht auf Nahrung) bedeuten: „Tzom“ und „Ta'anit“.

 

Der Unterschied zwischen Tzom & Ta'anit

Der Hauptunterschied zwischen beiden Wörtern besteht darin, dass „tzom“ ein biblisches Wort ist (es kommt 26-mal in den Propheten (Nevi'im) und in den Schriften (Ketuvim) vor, jedoch nie in der Tora). 

 

Hingegen kommt „ta'anit“ hauptsächlich im rabbinischen Hebräisch vor und erscheint lediglich 1-mal in der Bibel in Esra 9,5).

 

Der Begriff „tzom“ kann auch direkt mit „schnell“ übersetzt werden und bezieht sich auf die Praxis des Fastens selbst, ohne zwischen verschiedenen Gründen zu unterscheiden. Im modernen Hebräisch wird „tzom“ für alle Arten von Fasten verwendet, auch für medizinisches Fasten.

 

Der Begriff „ta'anit“ bezeichnet mehr einen rituellen Fastentag, für den spezifischen Zweck der Trauer oder des Flehens zu Gott. Daher ist „ta'anit“ auf den religiösen Bereich beschränkt und kann sich auch auf den Verzicht auf andere Dinge beziehen, wie z.B. auf das Sprechen.

 

Was ist Fasten

Ein biblisches Fasten umfasst einen teilweisen oder völligen Verzicht auf Nahrung oder einen Verzicht auf Worte.

 

Fasten ist Selbstverleugnung. Fasten heißt, dass man aus geistlichen Gründen (Selbstverleugnung) freiwillig auf Nahrung verzichtet. Normalerweise heißt dies nicht, dass man nichts trinkt, sondern nur, dass man auf feste Speise verzichtet (auch wenn es Fälle in der Bibel gibt, in denen Menschen bis zu vierzig Tage lang weder aßen noch tranken).

 

Fasten kann einen oder mehrere Zwecke haben, z.B.:

• Ein Werkzeug zur Umkehr

• Ein Ausdruck der Trauer

• Flehen, wie das Fasten von Ester

• Zur Vorbereitung vor großen Entscheidungen

 

Mehrfach berichtet das Alte Testament auch vom Fasten als Zeichen der Trauer oder um den Ernst eines Gebetes zu betonen (Esr 8,21). So fastete König David, als einer seiner Söhne todkrank wurde (2Sam 12,15ff).

 

Daraus wird deutlich, dass ein Gläubiger selbst ein Fasten unter der Führung des Heiligen Geistes einleiten kann oder Gott persönlich Menschen, die an Ihn glauben, in ein übernatürliches Fasten ruft und führt.

 

Fasten nach dem Maßstab Gottes sollte immer mit einem aufrichtigen Herzen und einem Wandel in Gerechtigkeit einhergehen, das den Gott Israels (Anm.: JAHWE) und seinen Willen im Zentrum hat (vgl. Sach 7,4-6).

 

Weiterhin erfordert das biblische Fasten den Wandel in Selbstlosigkeit, die mit Opferbereitschaft bzw. Taten der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit einhergeht (vgl. Jes 58,6-12).

 

Fastentage des jüdischen Jahres

Im Laufe eines jüdisch-biblischen Jahres gibt es sechs regelmäßige Fastentage (hebr. tzomot); sieben wenn Ta'anit Bechorot – Das Fasten des Erstgeborenen dazu gezählt wird. Hierbei unterscheidet man zwischen „große“ Fastentage (Vollfastentage) und „kleine“ Fastentage (kleines Fasten).

 

Es ist üblich, kurz vor Beginn eines großen Fastentag eine Mahlzeit einzunehmen. Einige stehen auch rechtzeitig auf, um zu frühstücken, bevor sie einen kleinen Fastentag beginnen. 

 

Kranke, Minderjährige, Schwangere und stillende Mütter sind vom Fasten befreit, selbst an großen Fastentagen. Es ist wichtiger, das Leben eines Menschen zu schützen, als einen Fastentag einzuhalten.

 

Von Personen über dem Alter von Bar oder Bat Mizwa wird erwartet, dass sie fasten. Kinder unter 9 Jahren dürfen nicht fasten, da es als gefährlich für ihre Gesundheit und Entwicklung gilt. Kinder zwischen 9 Jahren und Bar oder Bat Mizwa fasten normalerweise einen Teil des Tages, um sich darauf vorzubereiten, wenn sie älter werden und den ganzen Tag fasten werden.

 

Große Fastentage (Vollfastentage)

„Große“ Fasttage (ganztägiges Fasten) werden von Sonnenuntergang bis zum Einbruch der Dunkelheit der folgenden Nacht eingehalten, ein Zeitraum von etwa 25 Stunden. Neben dem Fasten gibt es einige zusätzliche Einschränkungen, die an großen Fasttagen eingehalten werden.

 

Hierzu zählen zwei Fastentage:

Tischa be-Ab (5. Monat; 9. Ab)

Jom Kippur (7. Monat; 10. Tischri)

 

Hinweis:

Die zwei großen Fasttage beinhalten zusätzlich zum Verbot des Essens und Trinkens vier Einschränkungen: Man darf seinen Körper nicht waschen, keine Lederschuhe tragen, keine Öle oder Parfüms verwenden und keinen Sex haben. Jom Kippur beinhaltet auch alle Einschränkungen des Schabbats. Tischa be-Ab hat Einschränkungen, die denen der einwöchigen Trauerzeit nach einer Beerdigung „Schiwa“ ähneln.

 

Mit Ausnahme von Jom Kippur ist das Fasten am Schabbat niemals gestattet (außer Assara be-Tebet), da das Gebot, den Schabbat zu halten, biblisch verordnet ist und die später rabbinisch eingeführten Fastentage außer Kraft setzt.

 

Kleine Fastentage

Sogenannte kleine Fasttage (halbtägiges Fasten) beginnen in der Morgendämmerung bei Sonnenaufgang und enden bei Anbruch der Dunkelheit, beim Aufgang der ersten Sterne am Abend, am selben Tag. Sie haben meist einen geschichtlichen Hintergrund und werden ohne zusätzliche Einschränkungen begangen.

 

Hierzu zählen:

Tzom Tammuz (4. Monat; 17. Tammuz)

Tzom Gedalja (7. Monat; 3. Tischri)

Assara be-Tebet (10. Monat; 10. Tebet)

Ta'anit Ester (11. Monat; 13. Schebat)

 

Manchmal wird auch Ta'anit Bechorot – Das Fasten des Erstgeborenen (1. Monat; 14. Nissan) dazu gezählt.

 

Hinweis:

Drei der vier kleinen Fasttage (außer Ta'anit Ester) werden in der Bibel als Fasten in Erinnerung an die Zerstörung des Ersten und Zweiten Tempels erwähnt.

 

Die vier Fastentage

Ein großer und drei kleine Fastentage, die an Ereignisse im Zusammenhang mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels erinnern, werden als die „vier Fasten“ bezeichnet und werden vom Propheten Sacharja erwähnt:

 

Sacharja 8,19

So spricht der HERR der Heerscharen: Das Fasten im vierten und das Fasten im fünften Monat und das Fasten im siebten und das Fasten im zehnten Monat wird für das Haus Juda zum Jubel und zur Freude und zu wunderbaren Festzeiten werden. Liebt die Wahrheit und den Frieden!

 

• Tzom Tammuz/Schiwa Assar be-Tammuz (4. Monat: 17. Tammuz)

• Tischa be-Ab (5. Monat: 9. Ab)

• Tzom Gedalja (7. Monat: 3. Tischri)

• Assara be-Tebet (10. Monat: 10. Tebet)

 

Die Betrachtung der Fastentage aus einer rein kalendarischen Perspektive lässt jedoch die Chronologie der Ereignisse außer Acht, derer sie gedenken. Die jüdische Tradition verbindet jedes der vier Fasten mit den Ereignissen rund um die Belagerung und den Fall Jerusalems unter Nebukadnezar. Die folgende Liste spiegelt daher die Chronologie wider:

 

• Assara be-Tebet (10. Monat; 10. Tebet) erinnert daran, als Jerusalem erstmals von den Babyloniern belagert wurde

• Tzom Tammuz/Schiwa Assar be-Tammuz (4. Monat; 17. Tammuz) erinnert an den ersten Durchbruch der Jerusalemer Stadtmauer

• Tischa be-Ab (5. Monat: 9. Ab) gedenkt der Zerstörung des Jerusalemer Tempels

• Tzom Gedalja (7. Monat; 3. Tischri) erinnert an die Ermordung von Gedalja (2Kön 25,22-26; Jer 41,1-3; Sach 8,19)

 

Zwei der vier Fastentage (Tzom Tammuz & Tischa be-Ab) fallen in einen dreiwöchigen Zeitraum der Trauer zwischen dem 17. Tammuz und dem 9. Ab. Diese Trauerzeit stellt den Zeitraum vom Durchbruch der Jerusalemer Mauer durch Nebukadnezar bis zur Zerstörung des Tempels am 9. Ab dar und wird „zwischen den Meerengen“ (hebr. Bein ha-Metzarim) oder „Tage inmitten der Bedrängnisse“ genannt. Der Name geht auf Klagelieder 1,3 zurück, wo es heißt:

 

„Gefangen ist Juda weggezogen aus Elend und aus schwerem Sklavendienst. Es wohnt unter den Nationen, findet keinen Rastplatz. Alle seine Verfolger haben es erreicht – mitten in der Bedrängnis“

 

In der jüdischen Welt wird diese Zeit auch einfach „die drei Wochen“ genannt. Sie ist durch verstärkte Trauer gekennzeichnet, um der Zerstörung der jüdischen Tempel zu gedenken.

 

Von den vier Fastentagen ist Tischa be-Ab bei weitem der Bedeutendste, was sich auch in der Liturgie der Synagoge an diesem Tag zeigt. Sie ist viel aufwändiger und komplexer als die der anderen drei Fastentage.

 

Jüdische Gelehrte haben für Tischa be-Ab eine Reihe von Verhaltensweisen, die speziell für Beerdigungen charakteristisch sind. „Wenn Ab kommt“, sagen sie, „muss alle Fröhlichkeit erlöschen“.

 

Die sieben „traditionell“ anerkannten Fastentage

Die folgende Liste zeigt die sieben traditionell anerkannten Fastentage, vom ersten bis zum letzten Fasten des jüdischen Jahres:

 

Ta'anit Bechorot: Das Fasten des Erstgeborenen (1. Monat; 14. Nissan)

Ein kleiner Fastentag, der nur von erstgeborenen Männern gehalten wird und an die Tatsache erinnert, dass sie in Ägypten vor der Plage der Erstgeborenen gerettet wurden. Er beginnt, wie andere kleine Fastentage, in der Morgendämmerung (erstes Licht) und endet bei Anbruch der Dunkelheit (Aufgang der ersten Sterne am Abend).

 

Tzom Tammuz: Fasten des 17. von Tammuz (4. Monat; 17. Tammuz) Sach 8,19

Ein kleiner Fastentag, an dem des Durchbruchs der Jerusalemer Stadtmauer gedacht wird, welcher der Zerstörung des Ersten und Zweiten Tempels vorausging. Außerdem markiert der Tag den Anfang der dreiwöchigen Trauerzeit zwischen 17. Tammuz und 9. Ab. Er beginnt, wie andere kleine Fastentage, in der Morgendämmerung (erstes Licht) und endet bei Anbruch der Dunkelheit (Aufgang der ersten Sterne am Abend).

 

In der Bibel wird Tzom Tammuz als das Fasten des 4. Monats bezeichnet.

 

Tischa be-Ab: Der Neunte von Ab (5. Monat; 9. Ab) Sach 8,19

Ein großer Fastentag. Er erinnert an die Tragödien des jüdischen Volkes. Dieses Fasten ist das zweitwichtigste Fasten im Judentum (neben Jom Kippur, dem wichtigsten Fastentag). Er beginnt bei Sonnenuntergang und endet zum Einbruch der Dunkelheit der folgenden Nacht; ein Zeitraum von etwa 25 Stunden.

 

In der Bibel wird Tischa be-Ab als das Fasten des 5. Monats bezeichnet.

 

Tzom Gedalja: Fasten des Gedaljas (7. Monat; 3. Tischri) 2Kön 25,22-26; Jer 41,1-3; Sach 8,19

Ein kleiner Fastentag, welcher direkt nach Rosch ha-Schana zum Gedenken an die Ermordung des Statthalters von Juda – Gedalja ben Ahikams – durch irreführende Eiferer. Er beginnt, wie andere kleine Fastentage, in der Morgendämmerung (erstes Licht) und endet bei Anbruch der Dunkelheit (Aufgang der ersten Sterne am Abend).

 

In der Bibel wird Tzom Gedalja als das Fasten des 7. Monats bezeichnet.

 

Jom Kippur: Der Versöhnungstag (7. Monat; 10. Tischri) 3Mo 23,26-32

Ein großer Fastentag, ja der größte Fastentag überhaupt! Jom Kippur ist der heiligste Tag des jüdisch-biblischen Jahres. Ein Tag, an dem keinerlei Arbeit erlaubt ist. Er beginnt bei Sonnenuntergang und endet zum Einbruch der Dunkelheit der folgenden Nacht; ein Zeitraum von etwa 25 Stunden.

 

Hinweis: Jom Kippur ist der einzige Fastentag, der in der Bibel zum Zweck der Buße/Umkehr erwähnt wird. Das Fasten ist so wichtig, dass es erlaubt ist, auch wenn Jom Kippur auf einen Schabbat fällt; im Gegensatz zu anderen Fastentagen, die verschoben werden, wenn sie auf den Schabbat fallen.

 

Assara be-Tebet: Der 10. von Tebet (10. Monat; 10. Tebet) Jer 52,4; Sach 7,3.5; 8,19

Ein kleiner Fastentag zum Gedenken an den Beginn der Belagerung Jerusalems vor der Zerstörung des Tempels und den Fall der Stadt. Er beginnt, wie andere kleine Fastentage, in der Morgendämmerung (erstes Licht) und endet bei Anbruch der Dunkelheit (Aufgang der ersten Sterne am Abend).

 

In der Bibel wird Assara be-Tebet als das Fasten des 10. Monats bezeichnet.

 

Hinweis: Orthodoxe Juden, die den Holocaust-Gedenktag „Jom ha-Scho’a“ nicht akzeptieren, gedenken am 10. Tebet der Opfer der Scho’a.

 

Ta'anit Ester: Das Fasten von Ester (12. Monat; 13. Adar) Est 4,16

Ein kleiner Fastentag, welcher in Erinnerung an die drei Fastentage Esters vor ihrem schweren Gang zum König Ahasveros (Xerxes I.) begangen wird, was mit dem Tode bestraft werden konnte. Es war die Antwort auf das Dekret Hamans zur Vernichtung des jüdischen Volkes im persischen Exil. Zu Ehren der Königin Ester, die dieses Fasten angeordnet hatte, trägt es den Namen und erinnert uns an die Wunder und an die Rettungstat Gottes, die den Juden in ganz Persien zuteilwurde. Er beginnt, wie andere kleine Fastentage, in der Morgendämmerung (erstes Licht) und endet bei Anbruch der Dunkelheit (Aufgang der ersten Sterne am Abend).

 

Andere Fastentage

Neben den sieben traditionellen Fastentagen, die in der jüdischen Gemeinde weltweit allgemein anerkannt sind, gibt es einige zusätzliche Fastentage innerhalb der jüdischen Tradition:

 

• Ta'anit Tzaddikim: Fasten der Gerechten

Dies sind Fastentage in Erinnerung an eine bedeutende Person, die ein Lebensstil der Treue gegenüber Gott geführt hat.

- Das Fasten von Miriam: 10. Nissan

- Das Fasten von Aaron: 1. Ab

- Das Fasten von Mose: 7. Adar

- Das Fasten von Josua: 26. Nissan

- Das Fasten von Samuel: 28. Ijjar

 

• Ta'anit Tzibur (Öffentliches Fasten)

Dies sind Fasten, die von einer bestimmten Gemeinde in Erinnerung an eine besondere Befreiung oder den Tod eines verehrten Gemeindeleiters eingeführt wurden.

 

• Ta'anit Jachid (Persönliches Fasten)

Dies ist ein privates Fasten, welches aus persönlichen Gründen gehalten wird.

 

Es gibt auch einen Brauch, dass Braut und Bräutigam am Tag ihrer Hochzeit fasten. Beide fasten vom Morgengrauen bis nach der Trauzeremonie.

 

Die Zerstörung des Ersten und Zweiten Tempels

Einige Fastentage erinnern an die Ereignisse im Zusammenhang mit der Zerstörung des Ersten und Zweiten Tempels in Jerusalem und die Vertreibung des jüdischen Volkes aus seiner Heimat.

 

Die Zerstörung des Ersten Tempels

(Salomonischer Tempel; hebr. Beit ha-Mikdasch ha-Rischon; Erstes Haus des Heiligtums) 950 v.Chr–586 v.Chr.

 

Nach 1. Könige 6,1-8, und 2. Chronik 3,1-5 errichtete König Salomo um 950 v.Chr. den Ersten Tempel auf dem Berg Moria in Jerusalem.

 

Im Jahr 588 v.Chr. belagerte Nebukadnezar, der König Babylons, Jerusalem. Im Jahr 586 v.Chr. gelang es ihm eine Bresche in die Stadtmauer Jerusalems zu schlagen. Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eineinhalb Jahre Belagerungszustand und großes Leid hinter sich.

 

In den letzten Jahren des Königreichs von Juda führten die Babylonier drei militärische Operationen gegen Jerusalem durch. Bei jeder dieser Operationen war der Salomonische Tempel betroffen.

 

Der erste Feldzug wird in 2. Chronik 36,5-7 beschrieben. Bei diesem Angriff nahm Nebukadnezar II. den König von Juda, Jojakim gefangen, fesselte ihn in Ketten und deportierte ihn nach Babylon. Nebukadnezar nahm auch die Gefäße des Tempels Gottes und stellte sie in einen heidnischen Tempel in Babylon. Außerdem nahm er eine Reihe von Juden in Gefangenschaft, darunter auch Daniel und seine drei Freunde.

 

Der zweite Feldzug der Babylonier wird in 2. Chronik 36,9-10 beschrieben. Bei diesem Angriff nahm Nebukadnezar Jojakims Sohn Jojachin gefangen und machte Zedekia zum König. Zu dieser Zeit ging Hesekiel in die Gefangenschaft nach Babylon.

 

Dann kam der entscheidende dritte Feldzug, über den in 2. Chronik 36,17-19 berichtet wird. Bei diesem Angriff wurde Jerusalem und der Tempel endgültig geplündert und niedergebrannt (2Kö 25,4-10). Jeremia war ein Augenzeuge der Zerstörung. Er beschrieb, dass die bronzenen Tempelgeräte zerschlagen und nach Babylon gebracht wurden, ebenso die goldenen und silbernen Gefäße und Leuchter (Jer 52,17-23). Tausende Juden wurden aus ihrer Heimat vertrieben und nach Babylon deportiert.

 

Dies war der Anfang der von Jeremia prophezeiten siebzigjährigen Gefangenschaft in Babylon (Jer 25,11; 29,10). Während dieser Gerichtsphase war der Erste Tempel eine Ruine und Jerusalem wurde zu einem Sprichwort unter den Nationen, genau wie es in 2. Chronik 7,19-20 beschrieben worden war:

 

19 Wenn ihr euch aber abwendet und meine Satzungen und Gebote, die ich euch vorgelegt habe, verlasst, und hingeht und anderen Göttern dient und sie anbetet, 20 so werde ich sie aus meinem Land herausreißen, das ich ihnen gegeben habe; und dieses Haus, das ich meinem Namen geheiligt habe, werde ich von meinem Angesicht verwerfen und es zum Sprichwort setzen und zum Spott unter allen Völkern

 

Es war nun das Jahr 586 v.Chr. Was den genauen Tag betrifft, so gibt es zwei scheinbar widersprüchliche Stellen in der Bibel:

 

2. Könige 25,8-10

8 Und im fünften Monat, am Siebten des Monats, das war das neunzehnte Jahr des Königs Nebukadnezar, des Königs von Babel, kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, der Knecht des Königs von Babel, nach Jerusalem. 9 Und er verbrannte das Haus des HERRN und das Haus des Königs; und alle Häuser Jerusalems und jedes große Haus verbrannte er mit Feuer. 10 Und das ganze Heer der Chaldäer, das bei dem Obersten der Leibwache war, riss die Mauern von Jerusalem ringsum nieder

 

Jeremia 52,12-13

12 Und im fünften Monat, am Zehnten des Monats – das war das neunzehnte Jahr des Königs Nebukadnezar, des Königs von Babel – kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, der vor dem König von Babel stand, nach Jerusalem. 13 Und er verbrannte das Haus des HERRN und das Haus des Königs; und alle Häuser von Jerusalem und jedes große Haus verbrannte er mit Feuer

 

Jeremia zufolge wurde Jerusalem am 10. Ab von den Aufständischen befreit und in Brand gesteckt. Dies scheint dem Bericht in 2. Könige 25 zu widersprechen, der besagt, dass die Babylonier am siebten des Monats kamen.

 

Einige Bibelausleger meinen, dass eines der beiden Daten das Ergebnis eines späteren Schreibfehlers beim Kopieren des Textes ist. Es gibt jedoch keine textlichen oder handschriftlichen Beweise, die diese Position unterstützen. Andere glauben, dass der „7.“ den Tag angibt, an dem Nebusaradan in Jerusalem ankam, und der „10.“ den Tag, an dem er begann, die Stadt niederzubrennen.

 

Wahrscheinlich zog Nebusaradan am siebten Tag in Jerusalem ein und begann am zehnten Tag, die Stadt niederzubrennen. Diese Meinung entspricht der rabbinischen Auffassung. Um beide biblischen Daten zu stützen, erklärten die Gelehrten, dass die Zerstörung des Ersten Tempels am 7. Ab begann und bis zum 10. Ab dauerte. Um sicherzustellen, dass der 9. Ab selbst die Bedeutung hatte, die die Rabbiner ihm zuschrieben, behaupteten sie, dass die Babylonier den Tempel am Abend des 9. Ab kurz vor Sonnenuntergang in Brand setzten.

 

Es ist unmöglich zu sagen, dass der Tempel am 7. Ab verbrannt wurde, denn es wird in Jeremia gesagt, dass er am 10. Ab zerstört wurde. Außerdem kann man auch nicht sagen, dass der Tempel am 10. Ab verbrannt wurde, denn es wird in 2. Könige gesagt, dass er am 7. Ab zerstört wurde.

 

Was ist also tatsächlich geschehen? Am 7. Ab betraten Nichtjuden das Heiligtum, und am 7. und 8. Ab aßen sie dort und entweihten es, indem sie Unzucht trieben. Am 9. Ab, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, zündeten sie den Tempel an, der den ganzen Tag brannte, wie es heißt: „... Wehe uns! Denn der Tag hat sich geneigt, schon strecken sich die Abendschatten“ (Jer 6,4). Dieser Vers wird als eine Prophezeiung über den Abend gedeutet, an dem der Tempel verbrannt wurde.

 

Gelehrte, die das Fasten am 9. Ab festgelegt haben, meinen, dass es besser ist, den Beginn der Tragödie mit einem Fastentage zu gedenken.

 

Die Zerstörung des Zweiten Tempels

(Serubbabelischer Tempel, später Herodianischer Tempel; hebr. Beit ha-Mikdasch ha-Scheni; Zweites Haus des Heiligtums) 515 v.Chr.–70 n.Chr.

 

Nachdem Kyrus, der König von Persien 539 v.Chr. Babylon erobert hatte, gewährte er als einer seiner ersten Amtshandlungen den Juden in Babylon Freiheit. Dadurch wurde es ihnen möglich, in ihre Heimat zurückzukehren und ihren zerstörten Tempel wieder aufzubauen.

 

Unter der Führung von Serubbabel, der von Kyrus zum Statthalter der persischen Provinz Juda ernannt worden war, kehrte eine erste Gruppe Juden, wahrscheinlich um 537 v.Chr., aus dem Exil nach Jerusalem zurück. Der Zweck dieser Rückkehr war laut dem Edikt von Kyrus der Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels. Die Kosten dafür sollten vom Haus des persischen Königs übernommen werden (Esr 1,2; 6,4).

 

Nach ihrer Ankunft in Jerusalem bauten die heimgekehrten Juden zunächst den Altar wieder auf und legten das Fundament für den Tempel (Esr 3,1-10). Die hartnäckigen Samariter im Norden brachte die Arbeit am Tempel zum Stillstand (Esr 4,1-5). Die Juden hatten sich geweigert, die Samariter mitbauen zu lassen. Sechzehn lange Jahre zogen ins Land (536–520 v.Chr.), bevor die Rückkehrer die Bauarbeiten wieder aufnahmen.

 

Die beiden Propheten, Haggai und Sacharja, gaben den Ausschlag, das Tempelbauprojekt wieder aufzugreifen (Esr 5,1-2) und das Volk ging mit neuem Eifer an die Arbeit. So wurde der Zweite Tempel 515 v.Chr. zunächst rekonstruiert und unter Herodes dem Großen stark erweitert und neu konzipiert. Laut Flavius Josephus begann Herodes mit der Umbauarbeit am Tempel in den Jahren 20–19 v.Chr. Das Heiligtum selber wurde in den Jahren 18–17 v.Chr. nach eineinhalb Jahren Arbeit fertiggestellt. Die Arbeit am Areal des Tempelbergs ging noch viele Jahre weiter. Obwohl Herodes im Jahr 4 v.Chr. starb, wurden der Umbau und die Verfeinerungen am Tempel erst im Jahr 62 n.Chr. fertig gestellt – acht Jahre vor der Zerstörung durch die Römer.

 

Der Zweite Tempel stand ungefähr 585 Jahre lang in Jerusalem, also etwas mehr als zweihundert Jahre länger als der Erste Tempel.

 

Antiochus IV. (175–163 v.Chr.) machte sich einen Namen in der Geschichte als der berühmt-berüchtigte Herrscher Syriens, der sich selbst den Beinamen „Epiphanes“ (der erschienene Gott) gab. Er versuchte die Zeus-Anbetung in Jerusalem einzuführen und ließ ein Schwein auf dem großen Altar opfern (1Makk 1,29-67). Diese Tempelentweihung durch Antiochus wurde nicht ignoriert. In jenen Tagen bildete sich eine mutige Widerstandsgruppe, geleitet und inspiriert von den Makkabäern (vgl. 1Makk 2). Nach drei Jahren des Kampfes gelang es Judas Makkabäus und seinen Anhängern den Tempelberg einzunehmen. Im Winter 164 v.Chr. wurde der Tempel von der Entweihung durch den heidnischen Götzendienst gereinigt und auf einem neu gebauten Altar wurden Opfer dargebracht. Der Wiedereinweihung des Tempels wird von den Juden bei dem jährlichen Fest Chanukka (Einweihung) gedacht.

 

Das römische Imperium dehnte sich immer mehr aus und besetzte schließlich den gesamten östlichen Mittelmeerraum. Bei der Eroberung Jerusalems durch römische Truppen im Jahr 70 n.Chr. wurden die Jerusalemer Stadtmauer durchbrochen, die Stadt geplündert und in Brand gesetzt. Unter dem römischen General Titus wurde der Zweite Tempel am 9. Ab niedergebrannt. Es war der gleiche Tag, an dem der Erste Tempel damals von den Babyloniern niedergebrannt worden war. Vier Jahre lang hatte sich das Volk gegen die römische Tyrannei aufgelehnt (66–70 n.Chr.). Seither wurde der Jerusalemer Tempel nie mehr wieder errichtet.

 

In seinem Werk „Geschichte des jüdischen Krieges“ vermerkte der Historiker Flavius Josephus im Buch 6: „249 Titus begab sich jetzt wieder auf die Antonia zurück mit dem Entschlusse, am frühesten Morgen des nächsten Tages seine ganze Macht in das innere Heiligthum zu werfen und so das ganze Tempelhaus ringsum einzuschließen. 250 Gott aber hatte schon längst den Tempel zum Feuer verurtheilt, und soeben war der verhängnisvolle Kreis der Zeiten mit dem zehnten des Monates Lous [Ab] abgelaufen, an welchem Tage auch der frühere Tempel von dem Babylonischen König war in Brand gesteckt worden.“

https://de.m.wikisource.org/wiki/Juedischer_Krieg/Buch_VI_4-10

 

Wie der Erste Tempel wurde auch der Zweite Tempel aufgrund der Sünden Israels zerstört; in diesem Fall, weil Israel ihren Messias Jesus (Jeschua) abgelehnt haben.

 

Die Rabbiner debattierten über das Datum der Zerstörung des Zweiten Tempels und kamen schließlich zu dem Schluss:

 

Der Tempel wurde auch am 9. Ab zum zweiten Mal zerstört. Woher wird jedoch abgeleitet, dass der Zweite Tempel an diesem Datum zerstört wurde? So heißt es  nach jüdischen Gelehrten: „Eine verdienstvolle Angelegenheit wird an einem günstigen Tag herbeigeführt, und eine schädliche Angelegenheit an einem ungünstigen Tag, z.B. am 9. Ab, an dem sich bereits mehrere jüdische Tragödien ereignet hatten.“ Weiter heißt es: „Als der Tempel zum ersten Mal zerstört wurde, war dieser Tag der 9. Ab; und es war der Abschluss des Schabbats; und es war das Jahr nach einem Schabbatjahr; und es war die Woche der priesterlichen Wache Jojaribs; und die Leviten sangen das Lied und standen auf ihrer Plattform. Und welches Lied sangen sie? Sie sangen die Strophe: "Und er lässt ihr Unrecht auf sie selber zurückfallen, und er wird sie durch ihre eigene Bosheit vertilgen;..." (Ps 94,23). Und sie schafften es nicht, das Ende des Verses zu rezitieren: "der HERR, unser Gott, wird sie vertilgen", bevor die Nichtjuden kamen und sie eroberten. Und dasselbe geschah, als der Zweite Tempel zerstört wurde.“


 

Gottes Segen Euch allen!

 

1. Thessalonicher 5,23

„Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und  vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!“

 

Amen